Frühling  Sommer  Herbst & Winter

Alles Vergängliche

Alles Vergängliche
ist nur ein Gleichnis;
das Unzulängliche,
hier wird′s Ereignis;
das Unbeschreibliche,
hier ist′s getan;
das Ewig-Weibliche
zieht uns hinan.

 

 

Johann Wolfgang von Goethe

Frühling

 

Leise zieht durch mein Gemüt

Leise zieht durch mein Gemüt
liebliches Geläute,
klinge, kleines Frühlingslied,
kling hinaus ins Weite.

Zieh´ hinaus bis an das Haus,
wo die Veilchen sprießen;
wenn du eine Rose schaust,
sag´, ich lass sie grüßen.

 

 

Heinrich Heine

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Sommer

 

Es war ein solcher Vormittag

Es war ein solcher Vormittag,
wo man die Fische singen hörte,
kein Lüftchen lief, kein Stimmchen störte,
kein Wellchen wölbte sich zum Schlag.

Nur sie, die Fische, brachen leis
der weit und breiten Stille Siegel
und sangen millionenweis'
dicht unter dem durchsonnten Spiegel.

 

Christian Morgenstern

 

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Herbst

 

Novembertag

Nebel hängt wie Rauch ums Haus,
drängt die Welt nach innen;
ohne Not geht niemand aus;
alles fällt in Sinnen.

Leiser wird die Hand,der Mund,
stiller die Gebärde.

Heimlich, wie auf Meeresgrund,
träumen Mensch und Erde.

 

 

 

Christian Morgenstern

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Winter

 

Auf die nunmehr angekommene kalte Winterzeit

Der Winter hat sich angefangen /
Der Schnee bedeckt das gantze Landt /
Der Sommer ist hinweg gegangen
Der Waldt hat sich in Reiff verwandt.

Die Wiesen sind von Frost versehret /
Die Felder gläntzen wie Metall /
Die Blumen sind in Eis verkehret /
Die Flüsse stehn wie harter Stahl.

Wolan wir wollen von uns jagen
Durchs Feur das kalte Winterleid /
Kompt / Last uns Holtz zum Herde tragen
Und Kohlen dran / jetzt ist es Zeit.

Last uns den Fürnewein hergeben
Dort unten auß dem großen Fass
Dass ist das rechte Winterleben:
Ein heiße Stub' und kühles Glas.

Wir wollen spielen / schertzen / essen /
So lang' uns noch kein Gelt gebricht /
Doch auch der schönsten nicht vergessen /
Denn wer nicht liebt / der lebet nicht.

Wir haben den noch gnug zu sorgen
Wann nun das Alter kompt heran /
Es weiß doch keiner was ihm morgen
Noch vor ein Glück begegnen kann.

 

Johann Rist